Botanisch-ornithologisches Exkursionswochenende 16./17.Juli 2022

In Zusammenarbeit mit dem DAV Friedrichshafen organisierte Detlef Koch, Umwelt- und Naturschutzreferent unserer Sektion und Hobby-Ornithologe, diese Tour. Für die Botanik zeigte sich Claudia Hüsmann vom DAV Friedrichshafen zuständig. Aus Überlingen nahmen Renate P. und ich teil. Aus Friedrichshafen nahmen Karin und Sandra K. teil. Ausgewogene Verhältnisse!

v.l.n.r.: Sandra K., Karin K., Claudia H., Renate P. Foto A. Lux

Wir starten Samstag Morgen gg. 9 Uhr in Schröcken. Ziel ist die Biberacher Hütte, die man normalerweise in etwa 4,5 Stunden übers Fürggele erreicht. Voller Wissensdurst geht es los ins Felletal. Die Pflanzenwelt auf ca. 1300m Höhe ist sehr reichhaltig: Weidenröschen, Blutweiderich, Wiesenbärenklau, Klappertopf, Händelwurz, ein duftendes Knabenkraut, Wasserdost, Kreuzkraut …. Bis zur unteren Fellealpe benötigen wir mindestens eine Stunde. Beim Botanisieren kann man die Wegzeit ja nicht in Stunden ausdrücken, sondern in der Anzahl der erkannten Pflanzen. Bei der Bachüberquerung zeigt uns Detlef die (Kot-)Spuren der Wasseramsel. Ein Zeisig lässt seinen kräftigen Ruf hören. In der Nähe der Alpe sehen wir Alpbegleitpflanzen. Z.B. Breitblättriger Ampfer, Guter Heinrich ….

Je nach erklommener Höhenstufe ändert sich der Bewuchs. Oben im alpinen Bereich sind die Pflanzenarten oft dieselben wie im unteren Bereich, jedoch sind es meist Zwergformen, die sich an die speziellen Lebensräume extrem gut angepasst haben. Beispiel: Wiesensauerampfer und Zwerg- oder Alpensauerampfer ab 1800m.

Das Tal führt hinauf zum Butzensee, den man über den Jägersteig erreichen kann oder nach rechts zum Braunarlfürggele. In Sicht ist also immer die alpine Berglandschaft. Der Fußpfad führt meist über einen unbeweideten Osthang. Er scheint recht feucht zu sein. Dort wächst eine wunderbare Hochstaudenflur. Extrem vielfältig. Ich möchte nur ein paar nennen: Türkenbundlilie, Grasnelke, Eisenhut blau und gelb, Großblütige Glockenblume, Laserkraut,  und, und, und.

Claudia ließ uns auf wunderbar interessante Weise an ihrem Wissen teilhaben. Manche Pflanzen sind Zeigerpflanzen: Aufgrund ihres Standortes kann man auf diesen schließen: kalkhaltig oder feucht oder mager ….Wir erörterten den Unterschied zwischen Fett- und Magerwiesen. Je höher man im Gebirge kommt, desto mehr Pflanzen habe besondere Anpassungsstrategien entwickelt: Schutz vor intensiver Sonneneinstrahlung: Behaarung zur Reflexion des Sonnenlichtes und auch als Verdunstungsschutz, ledrige und schmale Blätter. Ein großflächiges Wurzelwerk bringt Halt (z.B. im Schutt) und eine stete Wasserversorgung.

Wusstet Ihr schon, dass man in den Bergen öfters durch einen „Kreißssaal“ geht? Freilich ist es dort nicht so laut wie im Krankenhaus … . Einige Pflanzen passen sich super an die extrem kurze Vegetationszeit an: Sie sind lebendgebärend, bilden also keine Samen sondern gleich Ableger, die noch im gleichen Jahr wieder anwachsen. Das nennt man Viviparie – ein tolles Wort. Als Beispiele können wir das Alpenrispengras und der lebendgebärende Knöterich finden.

Eine aussichtsreiche Mittagspause machen wir im Schatten der Latschen an der Wegkreuzung Butzensee/Fürggele. Detlef schaut oft mit seinem Super-Fernglas auf der Suche nach Vögeln. Auf der gegenüberliegenden Kuppe können wir so einen sitzenden Adler sehen. Immer wieder fliegen Bergpieper auf, die man wohl recht oft beobachten kann. Arnika, Gemswurz, Alpenrosen….

Weiter gehts steil hinauf zum Fürggele. Tja, der Hochberg wäre von hier aus zu erklimmen, die Braunarlspitze…, jedoch galt es für uns nicht, die Spitzen zu erkunden, sondern den Blick auf die lebendigen Flugobjekte zu schärfen und alles Grüne und Blühende zu erkunden. Man muss Prioritäten setzen!

Claudia zeigt uns den Unterschied zwischen Scheuchzers Glockenblume und der Alpenglockenblume. Den gibt es wirklich! Auch bei den weißen Doldenblühern muss man genau hinschauen: ähnliche Blüten, aber unterschiedliche Blätter.

Da Claudia beruflich u.a. als Biberbeauftragte für den Bodenseekreis arbeitet, haben wir viel Spaß. Die Murmeltiere wurden kurzerhand zu Alpenbibern umbenannt.

Ab dem Fürggele geht es bergab seitlich am Hang entlang zum Oberen Seeli. Der flache See ist fast ausgetrocknet, er hat nur einen temporären Wasserstand. Der Abfluss verschwindet einfach im Untergrund. Scheint doch karstig zu sein. Eisenhutblättriger Hahnenfuß, Bergschnittlauch… Die Rinder sind schon oben um die einfache Lagazunhütte herum. Auf den schon beweideten Flächen blüht natürlich momentan nicht mehr ganz so viel. Tatsache ist jedoch, dass unsere Alpen Kulturlandschaft ist. Der Mensch prägt die Landschaft durch seine Bewirtschaftung schon über Jahrhunderte. Die Alpwirtschaft drängt an vielen Stellen die Baumgrenze nach unten. Die Pflanzenvielfalt ist durch die extensive Beweidung enorm hoch.

Immer wieder wird mal von einer, mal vom anderen eine interessante Pflanze entdeckt. Wie lernt man die vielen Namen? Naja, nicht nur durch angucken, sondern auch durch fühlen, riechen, manchmal auch schmecken. Immer wieder im Buch nachschlagen. Und immer wieder drüber reden! Also, wenn Ihr Euch mal genervt fühlt von jemandem, der ständig die Namen der Pflanzen am Wegesrand aufzählt: Er lernt nur, will sein Wissen im Hirn verankern! Und nicht obergescheit daherreden!

Gegen 16:30Uhr kommen wir an der Biberacher Hütte (1846m) an. Ein Zwetschenkuchen wird serviert. Einstimmig beschließen wir die Namensänderung: „Zwetschge an Rührkuchen“. Denn sage und schreibe eine (1) ganze Zwetschge liegt auf dem großen Stück Teig!

Nach der kalten Dusche müssen wir schon 18 Uhr bereit zum Abendessen sein. Danach steht natürlich das ultimative Sonnen-Untergangs-Schauen auf dem Programm. Schee! Der Blick schweift rundherum vom Widderstein, zur Braunarlspitze, übers Große Walsertal ins Rätikon, zur Hochkünzelsspitze.

v.l.n.r.: Claudia H., Astrid L., Renate P, Sandra K., Karin K., Detlef K. Foto: A. Lux

Der Sonntag verspricht wieder recht heiß zu werden. Wir peilen die Hochkünzelsspitze (2394m) an. Der Weg dahin ist wieder spannend: kleine moorige Flächen sind sattgrün, durchsetzt von Fleischfarbenem Knabenkraut, Bergschnittlauch, Sumpfherzblatt ….. Daneben ist es gleich wieder trocken, der Hauswurz leuchtet herrlich fett und rot.

Bei diesem Aufstieg gesellte sich ein Konstanzer Wanderer zu uns und ließ sich mit in die Botanik führen. Toll wird der Bewuchs direkt unterhalb der Hochkünzelsspitze: Der Pfad schlängelt sich durch meterhohen Wiesenkerbel. Direkt am Steilaufschwung finden wir die schlichte Mondraute, ein Farngewächs. Am ruhigen Gipfel genießen wir den extrem weiten Ausblick rundum. Jeder kennt irgendeinen Gipfel! Detlef zeigt uns wieder einen sitzenden Adler auf einem Grat. Wir beobachten auch einen Adler beim Markierungsflug durch sein Gebiet. Toll, einfach sitzen, schauen und erleben!

Beim Abstieg fragt uns Sandra ab, irgendjemand weiß immer, wie es heisst! Ein kugeliges Knabenkraut stand auch noch am Weg. Der Unterscheid zwischen Cotoneaster und Kriechweide ist auch nicht so offensichtlich.

Der Forstweg zum Parkplatz Landsteg war überraschend schön und abwechslungsreich: alte Bäume, Bergahorn und Fichten. Wilde Tobel.

Sandra und ich spurteten vor gen Schröcken und holten die Autos. Dabei gabelten wir noch 2 Wanderer auf, die wir nach Schoppernau zu ihrem Auto mitnahmen. Eine gute Tat pro Tag!

Im Hotel Tannberg in Au ließen wir diese wunderschöne, lustige, informative Wochenende ausklingen. Mehr als 100 Pflanzen hatten wir auf unserer Liste. Und entwickelten Pläne für ähnliche Veranstaltungen 2023….

Vielen Dank, Claudia, für Deine extrem gute Vorbereitung und Deine sympathische Art, das Wissen weiter zu geben. Vielen Dank, Detlef, für Deine sehr amüsanten Birdie-Geschichten!

Autor: A. Lux 21.7.22