Kurs Bergwandern für Einsteiger 11.-13.6.21

Drei Bergeleven aus Überlingen und Wilhelmsdorf nahmen teil: Maryia L., Margot R. und Martin S. Nach der „Mairegenzeit“ erwartete uns sonniges Sommerwetter im Rätikon. Schon am Parkplatz Latschau ging es direkt los: Rucksäcke auspacken! Ausrüstungskunde: was ist wirklich nötig, was lässt man für diese 3-Tages-Tour gleich im Auto? Warum?

Obere Sporaalpe und Drei Türme (Foto A. Lux)

Die möglichen Wege zur Lindauer Hütte (1744m) wurden besprochen, für und wider abgewogen, ein erster Einblick in die Tourenplanung. Und los ging es über Plazadels, Wachters Deja und Obere Latschätzalm. Der anfängliche steile Anstieg forderte uns sofort. So übten sich alle im Allrad-Antrieb: Bergaufgehen mit Stockunterstützung. Am Wegesrand lenkten uns zahlreiche Blüten ab. Erste Ausblicke auf Mittagsspitze und Sulzflue liessen Lust auf den bevorstehenden Bergsommer aufsteigen. Viel Schnee leuchtete uns entgegen. Wir schauten uns beim Wandern den Bilkengrat an: ob er am Sonntag für uns begehbar ist?

Auf der Oberen Latschätzalm sprachen wir mit Gerhard. Momentan sind die 50 Kühe und einige Jungvieh auf der unteren Alpe. Nach 14 Tagen, also am kommenden Dienstag zügeln sie hoch. Sie sind zu viert im Team: Käser, Zusenn und 2 Hirten. Er baut gerade die Zäune und kümmert sich schon um die Unkrautbekämpfung – mit der Sense.

Auf der Lindauer Hütte gehts (Corona-bedingt) ruhig zu. Nach der Kaffeepause gibts Theorie, angenehm auf der Terrasse in der Abendsonne. Alle werden in die Geheimnisse des Kartenlesens eingeweiht. Unzählige Kleinigkeiten werden erkennbar. Ist es ein Rücken oder eine Rinne? Was heißt nordseitig? Wie berechne ich die Wegzeit? Wie werden die Wegqualitäten eingeteilt? Was bedeutet die T-Skala? Was heißt steil? Was sind Schrofen? …

Nach dem Abendessen planen die Drei die morgige Tour: Wegverlauf, Check (=Knack-)punkte, Höhenmeter, Zeitbedarf…. Uns wird noch viel Schnee erwarten, deshalb wird auch die Umkehrversion eingeplant. Margot möchte sich am Samstag einen schönen Tag in Hüttenumgebung machen.

Geissspitze 2334m (Foto A. Lux)

Kein Anstehen im Bad und am Buffet. Ausgeruht beginnen wir 8 Uhr unsere Tour Geißspitze-Hätaberger Joch-Öfapass zu dritt. Flott gehts auf dem Rücken zur Geissspitze. Oben erwartet uns ein weiter Rundumblick. Spannend, ob es für uns weiter gehen wird wegen der zu erwartenden Schneefelder am Wilden Mann. Zu normalen sommerlichen Bedingungen ist die Tour mit T3 bewertet. Erste Schneefelder begehen wir bravourös. Natürlich nach der theoretischen Sicherheitseinweisung. Beim Wilden Mann steht uns eine Wächte im Weg, man sieht nicht, wie es dahinter weiter geht. Umkehr oder Umgehung weglos? Maryia und Martin entscheiden sich für die Umgehung. Also Abstieg durch steiles Schrofengelände, weiter Abstieg im Schneefeld und Querung. Martin sagt “ Es läuft sich ja besser im Schnee!“

Martin S. und Maryia L. (Foto A. Lux)

Wir gelangen vorm Joch wieder auf den Grat und machen 12:30 erst einmal Brotzeit mit Rundumsicht. Ein Adler zieht über uns seine lautlosen Kreise. Mittlerweile sind doch ein paar Wanderer aus Richtung Golm unterwegs. Hm, unser Weg ist unterm Schnee versteckt. Entweder ein Stück zurück und queren, alles im Schneefeld. Oder eine I-er Kletterstelle abwärts überwinden und gleich auf den Weg treffen. Wir entscheiden uns für letzeres. Maryia und Martin sind stolz, es so gut geschafft zu haben! Eine Erfahrung mehr. Der Schwierigkeitsgrad der Tour ist durch die Schneefelder locker auf T4 gerutscht.

Marya L. (Foto Martin S.)

Unterwegs besprechen wir einiges: Was bedeutet „Ausgesetzt“? Beurteilung des Wettergeschehens. Gehtechnik bergauf, bergab, mit und ohne Stöcke. Immer wieder heißt es, die Landschaft mit dem Kartenbild in Verbindung zu bringen.

Nun gehts erst einmal abwärts über Schneefelder und über saisonale Quellen gen Obere Zualandalpe. In deren Umgebung wachsen seltsamerweise plötzlich Arven. Und immer die Zimba im Blick. Oberhalb der Alpe treffen wir auf den Weg zum Schweizer Tor. Vom Vorfrühling wieder in den Frühsommer hinein. Weiter aufwärts zur Zollhütte am Schweizer Tor, über große Schneefelder, Orientierung nach Karte und Gefühl.

Wir plündern unsere Rucksäcke bis auf die Restbestände. Martin erzählt von einer eingepackten Schokolade – wo ist sie nur? Gemein für uns! Aber wir werden trotzdem satt. Irgendwie deprimiert uns der Blick zum Öfapass: es sind zwar nur 160hm, aber alles im Schnee! Übrigens, schon den ganzen Tag über huschen Murmeltiere überall herum, mal pfeifend, mal still. Und die Sonne meint es gut mit uns. Wir vergaßen wohl alle, den Hals ein zu cremen . Also los.

Ab und zu bricht man mal tiefer ein – unabhängig vom Körpergewicht. Kurze Rast mit Fotostop am Pass. Die Lindauer Hütte ist in Sicht! Wir geniessen die Abfahrt/Uprun im Schnee. Etwa beim Abzweig zur Skitour zum Gr. Turm ziehen wir unsere Regensachen an. Nun gehts an praktische Anti-Abrutschübungen im Schnee. Also hochstapfen, fallen lassen und möglichst schnell in Liegestützposition kommen, um wieder Halt zu gewinnen. Martin wagt sogar einen Kopfsprung! Natürlich haben wir es auf Video fest gehalten! Jippihe!

Dabei beobachtet uns ein Murmeltier ausgiebig. Was es wohl über uns denkt?

Gegen 17 Uhr trudeln wir, angenehm geschafft, froh über die tollen Erlebnisse und das eigene Können wieder auf der Lindauer Hütte ein. Pause.

Margot hat einen ausgiebigen Spaziergang gemacht, schloss auch postive Bekanntschaft mit Schneefeldern.

Nach dem genossenen Abendessen lassen wir die Tour noch einmal Revue passieren. Unterwegs hatten wir intensiven Kontakt mit Einheimischen: Alpensalamander und Bergmolche sowie Kröten und Frösche. Dann wir planen den Sonntag. Auf dieser Tour soll es zurück zum Auto gehen. 3 Wegvarianten stehe zur Auswahl.

Der anfängliche Plan, über den Bilkengrat zur Tilisuna zu gehen, über Schwarzhornsattel und Tobelsee ab zu steigen, verwarfen wir: zu gefährliche Schneepassage im oberen Teil des Bilkengrates und vermutlich auch am Schwarzhornsattel. Zu viel hm, nachdem wir am Samstag so eine große Tour machten. Ein Ziel war auch, den Tag gemeinsam zu viert zu verbringen.

Wir planen die Variante 2 durch: Bilkengrat-Tobelalpe-Alpilaalpe-Latschau. Morgens entscheiden wir noch einmal um: Einfachste Variante: Porzalengawald-Untere Sporalape-Gauertalhaus-Latschau. Unterwegs üben wir das Gehen im Blockgelände. Wir sprechen verschiedene Ausrüstungsgegenstände durch, verschiedene Rucksacktypen. Immer wieder beeindruckt uns die Botanik oder die Wildspuren.

Am Porzalengawald (Foto A. Lux)

Oberhalb der Unteren Latschätzalpe, bei der wir Gerhard wieder treffen, ist das Thema Alpwirtschaft oder Transhumanz Thema. Ebenfalls das Thema Wetter, Begehen von Weiden mit Vieh ….

Unsere Schlussbesprechung halten wir am Naturfreundehaus Gauertalhaus ab. Ich glaube, es hat allen Spass gemacht, für jeden war etwas Interessantes dabei. Ziel des Kurses war das selbstständige Planen und Durchführen von Tages- und Mehrtagestouren.

Test, bevor wir die Speisekarte bekommen (Foto A. Lux)

JedEr TeilnehmerIn zog Erkenntnisse für sich: Ich schaffe ja ganz schön was, bin trittsicher, kann Karte lesen und auch „Ich weiß, wo meine Grenzen liegen.“ So solls sein!

Vielen Dank für Euer gutes Feedback an Margot, Maryia und Martin! Ich wünsche euch viel Spass bei Euren nächsten Touren.

Statistik:

Tag 1: Latschau 995m – O. Latschätz 1735m -Lindauer Hütte 1744m: T2/9km/4H05/890hm

Tag 2: Lindauer Hütte-Geisspitze 2334m -Hätaberger Joch 2154m-Öfapass 2133m-Lindauer Hütte T4 (T3 ohne Schnee)/12km/6H05/1160hm

Tag 3: Lindauer Hütte-Untere Sporalape-Latschau T2/8km/3h/95hm

Autor: Astrid Lux (Trainer C Bergwandern)